Ingolstadt ist nicht nur bekannt für Autos, Festungsanlagen oder barocke Architektur – sondern auch als literarischer Schauplatz eines der berühmtesten Romane der Welt: Frankenstein oder "Der moderne Prometheus" von der britischen Autorin Mary Shelley. Im Roman kommt der junge Wissenschaftler Victor Frankenstein in die Stadt, um an der Universität zu studieren. Hier – mitten in Ingolstadt – erschafft er schließlich seine legendäre Kreatur.
Mary Shelley schrieb den Roman 1818 im Alter von nur 20 Jahren. Obwohl sie selbst nie in Ingolstadt war, wählte sie die Stadt ganz bewusst als Ort des Geschehens. Denn Ingolstadt galt damals als Zentrum für naturwissenschaftliche Bildung, Philosophie und Medizin. Die Universität, 1472 gegründet, war als erste Landesuniversität weit über Bayern hinaus bekannt. Ihre Atmosphäre, geprägt von Aufbruch, Forschergeist und Experimentierfreude, bot den perfekten Hintergrund für die Geschichte über Fortschritt, Verantwortung und menschliche Hybris.
Bis heute ist die Geschichte von Victor Frankenstein und seinem „Monster“ fester Bestandteil der internationalen Popkultur. Unzählige Verfilmungen, Theaterstücke, Graphic Novels und Neuinterpretationen haben die Figur weltberühmt gemacht. Der klassische Horrorfilm aus den 1930er-Jahren mit Boris Karloff prägte das Bild des Monsters über Generationen hinweg. Auch moderne Produktionen greifen den Stoff immer wieder auf – etwa in der Netflix-Serie The Frankenstein Chronicles oder in Science-Fiction-Formaten, die Shelleys Motive neu interpretieren. Der literarische Ursprung in Ingolstadt wird dabei nicht immer thematisiert – doch er ist der Anfang dieser bis heute lebendigen Erzählung.
Noch heute lässt sich das literarische Erbe in der Stadt spüren. Die Hohe Schule, einst Sitz der Universität, steht bis heute in der Altstadt – ein schlichter Renaissancebau mit großer Vergangenheit. Gleich in der Nähe befindet sich die Alte Anatomie, das ehemalige medizinische Lehrgebäude der Universität. Heute ist hier das Deutsche Medizinhistorische Museum untergebracht. Es zählt zu den bedeutendsten Einrichtungen seiner Art in Europa – und schafft eine direkte Verbindung zwischen historischer Wissenschaft und literarischer Fantasie.
Auch die engen Gassen rund um das Münster oder das Kreuztor verleihen der Stadt jene geheimnisvolle Stimmung, die man mit Frankenstein in Verbindung bringt. Zwischen Backstein, gotischen Fenstern und nebligen Morgenstunden entfaltet sich ganz von selbst eine Kulisse, die an düstere Experimente und große Fragen der Menschheit denken lässt.
Ingolstadt ist damit nicht nur ein realer Ort mit historischer Bedeutung, sondern auch ein literarischer Schauplatz, der bis heute Leserinnen und Leser auf der ganzen Welt fasziniert. Der Roman von Mary Shelley verleiht der Stadt eine zusätzliche, fast mythische Ebene – und zeigt, dass zwischen Geschichte, Literatur und moderner Stadtentwicklung oft mehr Verbindung liegt, als auf den ersten Blick sichtbar ist.